Unterhaltung: Tarifabschluss im Öffentlichen Dienst - Säbelrasseln zum falschen Zeitpunkt

werderino, 12. März 2013, um 09:25

So, abseits von Spielbesprechungen, Lottospielern und Getränkebestellungen stelle ich mal einen Artikel unserer Tageszeitung zur Diskussion:

http://www.thueringer-allgemeine.de/startseite/detail/-/specific/Nach-dem-Tarifabschluss-Minister-will-mehr-Stellen-streichen-602277875

Ich habe mir erlaubt, mal zu diesem Artikel einen online-Kommentar abzugeben. Ich bin selbst Beamter mit 37 Dienstjahren, also 37 Jahre in "gesicherter Armut"...ja..ich weiss...^^ Soll das der Weg sein, den der Finanzonkel da propagiert? Der Tarifabschluss erfolgte am WE. Knapp einen Werktag später dann so ein Artikel. Das sieht ja so aus, als hätte man den Plan "B" schon in der Schublade gehabt. Die Stelleneinsparungen dürfen doch nicht zu Lasten der Bildung unserer Kinder gehen. Für mich ist das völlig konzeptlos und unprofessionell.
Wies seht ihr das?

Ex-Füchse #365, 12. März 2013, um 09:32

In meinen Augen ne Frechheit.
Schon seit Jahren (Jahrzehnten?) werden die Mitarbeiter des Öffentlichen Dienstes bei der Einkommensentwicklung benachteiligt. Wenn man die Gehälter aus anderen Branchen mit denen des ÖD vergleicht, dann gibt es da ganz deutliche Unterschiede.
und 5,6 Prozent klingt ja auch viel doller als es letzlich ist.
Für dieses Jahr ist es nämlich nur eine Erhöhung um 2,65%. Im nächsten Jahr kommen nochmal 2,95% hinzu. Das ist gleicht doch gerade mal den Inflationsverlust aus.
Es kann doch einfach nicht sein, dass die Mitarbeiter des ÖD dafür bestraft werden, wenn Politiker und hohe Ministerialbeamte nicht haushalten können.
Für gute Arbeit hat man gefälligst auch ordentlich zu bezahlen.

Ex-Füchse #365, 12. März 2013, um 09:37

Übrigens das mit den gesicherten Arbeitsplätzen im ÖD stimmt auch nur bedingt.
Ich kann Euch da aus eigener sehr bitterer Erfahrung ja mal berichten, wie es uns Mitarbeitern des Krankenhauses Moabit im Jahre 2001 ergangen ist.

Stoni, 12. März 2013, um 10:28

Es ist halt einfach Ende mit der sozialen Marktwirtschaft in unserem Lande. Das Kartell der Profiteure sitzt mächtig in allen Sätteln von Kohl über Schröder bis Merkel und bereichert sich auf Kosten des Volkes. 1970 besaß das oberste Zehntel der (West)-Deutschen 44 Prozent des gesamten Nettogeldvermögens. 2011 waren es 66 Prozent.

Seb1904, 12. März 2013, um 11:23

Das kann aber doch selbst Statistik-Anfänger nicht verwundern.

Wenn einer 1970 Hundert Taler hatte und jedes Jahr einen Taler Zinsen bekommen hat, und ein anderer hat 1970 1000 Taler und jedes Jahr 10 Taler Zinsen bekommen, dann ist das Vermögen des zweiten allein aufgrund der Zinseszinsen prozentual aufs Gesamtvermögen der beiden gesehen stärker gewachsen. Aber eine Bereicherung des Reichen auf Kosten des Armen liegt nicht vor.

Polemische Milchmädchenrechnung von Sozialromantikern und reine Neidschürerei ist sowas. So sät man Missgunst.

Wer die Reichen ärmer machen will, macht die Armen nicht reicher.

Ex-Füchse #365, 12. März 2013, um 11:34

[zitat]
Aber eine Bereicherung des Reichen auf Kosten des Armen liegt nicht vor.
[/zitat]
dann sag mir doch mal, auf wessen Kosten sonst der Reiche sein Vermögen vermehrt hat.
Der Arme hat übrigens kein Geld, das er zinsbringend anlegen könnte.
Und JA, DOCH, wenn man die Reichen etwas stärker besteuert z.B. durch Vermögensabgaben, dann könnte durchaus in bessere Bildung für alle investiert werden, was im Endeffekt die Armen doch etwas reicher machen würde.
Aber das führt hier vielleicht zu weit.
Werder ging es ja nur um die Gehälter im ÖD. Und das hat nichts mit Reich oder Arm oder Umverteilung zu tun, sondern nur und ausschließlich mit angemessener und gerechter Bezahlung für geleistete Arbeit.

Seb1904, 12. März 2013, um 11:37

Das obige aber nur als kleine Replik an Stoni.

Inhaltlich gebe ich Dir aber recht, werder.

Das ist eine überaus miese und unprofessionelle Reaktion Eures Ministers, die darüber hinaus ja auch nicht haltbar sein wird.

Da konnte einer nicht verhandeln und macht hinterher auf beleidigt.

boomer01, 12. März 2013, um 11:39
zuletzt bearbeitet am 12. März 2013, um 11:39

lass stoni mal die suppe fertig haben...

werderino, 12. März 2013, um 11:56

Gut, mit dem Verhandeln sei mal dahingestellt. Thüringen ist ja Mitglied in der TdL (Tarifgemeinschaft deutscher Länder). Es war ja lange genug Zeit. Man hätte ja vorübergehend die Mitgliedschaft in der TdL kündigen können (siehe Berlin und Hessen). Berlin ist mittlerweile wieder Mitglied. Hessen hat einen eigenen Tarifvertrag, angelehnt an den TV-L (Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder).
Man hat ja dann trotzdem die Möglichkeit, auch als Nichtmitglied in der TdL, den TV-L anzuwenden, kann ja einzelvertraglich vereinbart werden. So bestünde die Möglichkeit, die Gehälter "einzufrieren" und im Rahmen der finanzpolitischen Möglichkeiten ggf. moderat zu erhöhen.
Die Landesverwaltung in Thüringen ist "überaltert". Ist nun mal so. Stellenabbau ist von Nöten. Bei Polizei und Lehrern m.E. nur bedingt machbar. Also rein in die allgemeine Verwaltung. Da die Altersteilzeitregelungen ausgelaufen sind, ist guter Rat teuer. (Bundestagswahlen im Herbst) - nächstes Jahr hier Landtagswahlen.
Outsourcing von Landesaufgaben auf die Kommunen ist ausgereizt. Und kündigen will man auch nicht - geht eh nur im Bereich der Tarifbeschäftigten.
Statt mal wie in größeren Betrieben auch, dann zum Mittel der Abfindungen zu greifen und den "Älteren" mal ein lukratives Angebot zu machen, wird weiter rum geirrt, im luftleeren Raum operiert und dann kommen nach abgeschlossenen Tarifverhandlungen solche -sorry- vorpubertären Äußerungen - ich will nicht sagen "Scheisshausparolen" von Amtsträgern heraus.

Fanthomas, 12. März 2013, um 12:12
zuletzt bearbeitet am 12. März 2013, um 12:15

Aus der politischen Diskussion halte ich mich mal lieber raus. Aber mathematisch gesehen muss ich Seb widersprechen. Er schreibt:

"Wenn einer 1970 Hundert Taler hatte und jedes Jahr einen Taler Zinsen bekommen hat, und ein anderer hat 1970 1000 Taler und jedes Jahr 10 Taler Zinsen bekommen, dann ist das Vermögen des zweiten allein aufgrund der Zinseszinsen prozentual aufs Gesamtvermögen der beiden gesehen stärker gewachsen."

Und das ist falsch. Man rechne:

Im Jahr 1970:
A = Armer = 100 Taler
R = Reicher = 1000 Taler
G = Gesamtvermögen = 1100 Taler

Nun werden in dem Beispiel 1% Zinsen gezahlt. Bei einer Anlage mit Zinseszinsen wächst das Kapital bei beiden um 1% jährlich. Das entspricht einer Multiplikation mit dem Faktor 1,01. Über 43 Jahre bis heute ist das dann ein Gesamtfaktor von 1,01 hoch 43 = rund 1,534 und das bei beiden gleichermaßen!

Somit ist die Situation am Ende des Jahres 2013:
A hat 153,40
R hat 1534,00
G ist 1687,40

Und falls es keine Zinseszinsen gäbe, sähe es 2013 so aus:
A hat 143,00
R hat 1430,00
G hat 1573,00

In allen drei Fällen (1970, 2013 mit Zinseszins, 2013 ohne Zinseszins) hat A stets 9,1% (genau 1/11) und R gleich 90,9% (genau 10/11) des Gesamtvermögens G.

werderino, 12. März 2013, um 12:18

Da halt ich mich jetzt mal raus^^.

Stoni, 12. März 2013, um 12:23

Thomas, danke für den mathematischen Beweis, der auch der gesunde Menschenverstand nahelegt, wenn man sich partout den Tatsachen nicht verschliessen will.
Da hilft auch kein Manipulieren, Lügen und Betrügen beim Armutsbericht. Die Tatsachen der Verschiebung nach oben sind weder nötig noch hilfreich.
Aber auch mit Selbstverständlichkeiten nicht zu entkräften, seb.

HDF, 12. März 2013, um 12:28
zuletzt bearbeitet am 12. März 2013, um 12:29

und keiner hat bisher berücksichtigt, dass die erhöhung noch zu versteuern ist (am besten noch dummerweise gerade ein progressionssprung), denn dann bleibt bei vielen (meisten) nicht mal der inflationsausgleich

boomer01, 12. März 2013, um 12:30

so ein gesundes halbwissen von allem macht sich in der kneipe immer gut..

Seb1904, 12. März 2013, um 12:42

Dann danke ich auch mal, Thomas. Für Kopfrechnen geb ich mir dann mal ne 5.

Dann muss ich mich eben hilfsweise auf die Argumentation von der Luschenqueen zurückziehen. Sie schrieb:

"Der Arme hat übrigens kein Geld, das er zinsbringend anlegen könnte."

Dann dürfte eher da der Hase im Pfeffer liegen. Der Arme hat nichts zum Sparen/Anlegen, bzw. er gibt sein weniges frei verfügbares Kapital lieber für andere Dinge aus (Auch Urlaub, Auto, TV sind besitzenswerte Güter), während der Reiche solche Dinge oft aus höherem Einkommen bezahlen kann und Geld übrigbehält, das er sparen und vermehren kann.

Trotzdem wird mit Vokabeln wie "Bereichern" "Profiteure" usw. der Neid geschürt. Nicht jeder Aktionär ist ein Bereicherer, nicht jeder Vermieter ein Ausbeuter.

Anderer Ansatz, Stoni: Stimmt es (mein Eindruck), dass es den Reichsten der Reichen in Russland besser geht als bei uns, und dass es den Ärmsten der Armen bei uns besser geht als in Russland?

boomer01, 12. März 2013, um 12:59

nehmen wir mal den kollegen drogerie-rossmann.
der hat kuerzlich die milliarden-grenze an vermoegen ueberschritten
dummerweise fliesst aber jede filiale als vermoegen in diese rechnung ein. also filialen zumachen, angestellte entlassen ?
h. rossmann erhaelt im uebrigen im vergleich zu seinem "vermoegen" ein relativ bescheidenes gehalt.

Ex-Füchse #365, 12. März 2013, um 13:05

boomer, das ist Investivvermögen, um das es hier doch gar nicht geht.
Geld, das zum Erhalt und zur Schaffung von Arbeitsplätzen verwendet wird, ist gebundenes Kaptial und stand hier bisher überhaupt nicht zur Debatte. Es ging (neben den Tarifen für den ÖD) hier vor allem um Bankvermögen, die ihrem Besitzer einfach so Zinserträge bringen, ohne dass diese auch nur einen Finger dafür rühren müssen.

boomer01, 12. März 2013, um 13:08

nein, das wurde hier nicht unterschieden - es ging immer um arm und reich.

Seb1904, 12. März 2013, um 13:12

Da ja auch das Bankvermögen Zinsen bringt, welche versteuert werden, kommt auch dieses doch wohl der Allgemeinheit zugute, oder?

Ex-Füchse #365, 12. März 2013, um 13:13

Da diese Zinsen viel zu gering besteuert werden, bei weitem nicht in dem Maße, wie es nötig wäre.

boomer01, 12. März 2013, um 13:18
zuletzt bearbeitet am 12. März 2013, um 13:19

das geld auf der bank ist aber schon das versteuerte - mit 42%
vielleicht koennte man ja auch noch die steuern versteuern

Seb1904, 12. März 2013, um 13:21

Wieviel Prozent von meinem verdienten Geld (ob durch Zinsen, Tantiemen oder Lohn/Einkommen) soll sich der Staat denn nehmen dürfen, Eurer Meinung nach?

boomer01, 12. März 2013, um 13:24

die linke sagt 500.000 reichen, rest wird eingezogen

Ex-Füchse #365, 12. März 2013, um 13:27

Da ich mich mit Deinen Einkommensverhältnissen nicht auskenne, werd ich mich hüten, da ne Zahl zu nennen.
Bei all dem Gejammere über zu hohe Steuern wird ja nur allzu gern vergessen, dass der Staat nicht nur nimmt sondern auch gibt:
Schulen, Krankenhäuser, Polizei, Straßen, öffentliche Verkehrsmittel, Kindergärten, Altenpflege und vieles mehr.
Wer soll das denn bezahlen, wenn nicht die Staatsbürger?
Nach meiner Auffassung ist es selbstverständlich, dass diejenigen, die mehr haben, für solche gesamtgesellschaftlichen Angelegenheiten auch mehr geben müssen.

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