Unterhaltung: "Sitzenbleiben"...ja oder nein?

Doc_Jule, 19. Februar 2013, um 19:58

so, ehe sich hier die Fronten verhärten: Fakt ist doch wohl, dass mit der momentanen Situation des Schulwesens in Deutschland niemand so recht glücklich ist, weder die Lehrer noch die Schüler und auch nicht die Eltern. Nicht mal die Wirtschaft bekommt "mundgerechte" Schulabgänger präsentiert (Stichwort "Ausbildungsreife" und "Fachkräftemangel"). Und nicht zuletzt zeigen uns die Ergebnisse der Pisa-Studien, das irgendwas faul sein muss. Auch andere Länder haben Schüler mit, wie man so schön sagt, "Migrationshintergrund", aber nicht das Dilemma in diesem Ausmaß. Woran liegt´s denn?

boomer01, 19. Februar 2013, um 20:16
zuletzt bearbeitet am 19. Februar 2013, um 20:32

da haben die lehrer vielleicht das bessere dope...

ausserdem haben die laender, die in der pisa studie vorne liegen eben nicht so viele schueler mit migrationshintergrund.
und wo steht eigentlich geschrieben, dass deutschland in allen studien immer den ersten platz belegen muss..in italien interessiert das keine sau - aber das ist eben wieder typisch deutsch...

Ex-Füchse #17674, 19. Februar 2013, um 20:32
zuletzt bearbeitet am 19. Februar 2013, um 20:32

Die Schüler mit "Migrationshintergrund" spielen nicht die entscheidend Rolle (bei mir jedenfalls nicht).
Ich habe so einige Kinder anderer Nationalitäten, die fitter in Deutsch, Mathe oder Englisch sind.

Ich persönlich bin fest davon überzeugt, dass das Problem im Zusammenspiel von Familien-, Sozial- UND Bildungspolitik liegt.

Der Staat unterstützt (ist auch grundsätzlich gut so) die Erwerbslosen oder finanziell schlecht gestellten Familien.

Aber:
Zumindest viele Eltern der sozial schlecht gestellten Familien kümmern sich einfach nicht mehr eigenständig um die Erziehung ihrer Kinder (sie sind schlichtweg überfordert!).
Sie legen die Verantwortung bereits ab dem Kleinkindalter in die Hände des Staates, bzw. deren ausführenden, erzieherischen Organe.
Bedeutet: Zuhause wird nicht mehr gemalt, gespielt, keine Geschichten vorgelesen. Man geht nicht in den Zoo oder schwimmen.

Oftmals werden die Kleinen noch in aller Frühe vor den Fernseher gesetzt, es gibt kein Frühstück, bestenfalls eine Tüte Chips oder Kekse damit das Kind "versorgt" ist.

Dann kommt es also in den Kindergarten. Soziale Interaktion kennt es häufig nur aus dem dem Fernsehen, muss aber nun seinen Platz in der Gruppe finden.
Wie macht es das wenn es diesbezüglich wenig gelernt hat?
Denn: Hinzu kommt, dass viele Elter damit überfordert sind "nein" zu sagen. Sie züchten also kleine Tyrannen heran.

Das Kind lehnt möglicherweise auch alles Kreative (was zu einer Entwicklung eines gesunden Selbstvertrauens vonnöten wäre) ab.

Es wird vielleicht anerkannt wenn es "cool" ist...

Dann kommt die Grundschule:
Wenn man Glück hat kümmern sich die Eltern darum das benötigte Material zu besorgen. Ist aber leider oft nicht so.
Man schreibt Briefe an die Eltern oder ruft an. Diese geloben Besserung..aber es passiert, na was? Richtig: nichts!

So zieht es sich also durch bis zur nächsten Schule.
In meinem Fall wird es wohl die Hauptschule sein.

Ca. 40% der SchülerInnen haben kein Material dabei, wenn es benötigt wird (einfache Dinge wie Geodreieck, Bleistift, Spitzer....)
Wenn man Glück hat sind es nach 2 weiteren Wochen nur noch 20%.
Allerdings erhalten die Eltern in NRW 100 Euro zusätzlich zum Kindergeld für Materialien. Ist das in anderen Bundesländern auch so?
Selbstverständlich verschwindet das Geld im Nirvana.

Noch einmal: Ich spreche aus meinen Erfahrungen mit der Hauptschule. Ich weiss nicht wie es an der Realschule oder am Gymnasium ist.

boomer01, 19. Februar 2013, um 20:38
zuletzt bearbeitet am 19. Februar 2013, um 20:39

aber eins kann man den hauptschuelern doch weiss gott nicht absprechen - die haben schon sehr frueh ein klar definiertes berufsbild was sie einmal werden wollen "erst geh isch kolleg, dann werd isch rechtsanwalt"

Ex-Füchse #17674, 19. Februar 2013, um 20:39

^^

Ex-Füchse #17674, 19. Februar 2013, um 20:52

Aber genau das ist das Problem:

Den Eltern und Schülern wird vorgegaukelt, dass sie jeglichen Bildungsabschluss schaffen können und ihnen alle Türen offen stehen.

Grundsätzlich richtig, denn auch eine Hauptschule ist keine Sackgasse.

Aber nicht jeder kann Anwalt, Gynäkologe (auch sehr bei den Schülern beliebt ;-)) oder Architekt werden. Ist auch korrekt so, denn ansonsten würde der wirtschaftlichen Struktur auch so einiges fehlen.

Nun besteht aber ein gewissen Wunschdenken nach materiellen Gütern. Auf legale Weise kann man sich diese durch eine gute wissenschaftliche Ausbildung (zumeist Studium) erwirken.

Das schafft aber nur ein Bruchteil!

Somit stellt sich ganz simpel auch die Frage, ob z.B. die Handwerksberufe allein von der Bezahlung her zu unattraktiv sind.

Kvothe, 19. Februar 2013, um 21:06

Woher nehmen wir das Geld für mehr Lehrkräfte? Wo sparen wir ein für eine bessere Familienpolitik? Ich merkte es anfänglich schon einmal an, Silberfux zeigte es auch auf: Kinder die es nicht schaffen sich zu entwickeln, die schon frühzeitig die Hoffnung aufgeben einen Platz ander Sonne zu ergattern sind neben der verpassten Chance der Gesellschafft sie zu leiten ein erheblicher negativer Posten in der Bilanz. Mag jemand mal hochrechnen? Lebenslange staatliche Unterstützung, Fortbildungen, vielleicht gar resozialisierende Maßnahmen anstatt 30-45 Jahre aktive Teilnahme am sozialstaatlichen Konzept?
Sicherlich bedarf es Änderungen in der Ausbildung der Pädagogen, frühere Hilfe in ausreichendem Umfang in den Familien, Sozialarbeiter in den Schulen (nicht eine halbe Stelle in einer Hauptschule im sozialen Brennpunkt) und und und. Aber irgendwann muss man doch mal irgendwo anfangen! Eine langfristige Agenda, überparteilich, da muss doch bei diesem Thema ein Konsens gefunden werden können?

Doc_Jule, 19. Februar 2013, um 21:37
zuletzt bearbeitet am 19. Februar 2013, um 21:38

es sind halt einfach sehr viele Baustellen, die darüber hinaus auch noch nicht einmal, da Ländersache, von einem einzelnen "Team" sondern von vielen "Teams" mit durchaus unterschiedlichen ideologischen Ansätzen "bearbeitet" werden.
Tatsache ist, dass in Deutschland der Nachwuchs offenbar weniger Wert ist als in den meisten anderen Ländern, die sprichwörtliche Kinderfeindlichkeit der Deutschen ist, so weit ich beobachten kann, auch nicht weniger geworden. Da wundert es nicht, dass sich kaum jemand die Mühe macht, wirklich darüber nachzudenken, wie man für Kinder und Jugendliche bessere Lebens- und Lernbedingungen schaffen kann.
Viele Kinder werden von ehrgeizigen Eltern schon viel zu früh "gedrillt", damit sie auch ja einen der begehrten "Plätze an der Sonne" bekommen (und stellen dann die Klientel für Kinder-und Jugendpsychologen), am anderen Ende der Skala fallen Kinder schon mit der Geburt in ein "falsches" Elternhaus aus dem Rennen.
Ich weiß auch keinen "Königsweg", denke aber schon, dass gerade am unteren Rand der Gesellschaft eine frühzeitige Hilfe, und dies nicht (nur) in Form einer Geldüberweisung, dringend notwendig ist. Angesichts des demografischen Wandels können wir es uns ganz schlicht nicht leisten, einen Teil der Kinder und Jugendlichen von vornherein zur Arbeitslosigkeit und zum Empfang von Sozialleistungen zu verdammen.
Früher beherrschten die Absolventen der "Volksschule" durchaus eine einigermaßen gute Rechtschreibung und die Grundrechenarten, heute kann man schon froh sein, wenn Abiturienten weitgehend sicher in der Orthografie sind und den Dreisatz beherrschen (bisschen übertrieben, aber nicht ganz aus der Luft gegriffen...), irgendwas muss sich also in der Art, Wissen zu vermitteln, geändert haben. Keine Ahnung, was? Wenn ich meine Grundschulzeit mit der meiner Kinder vergleiche (ich habe noch Schulhefte von mir), sehe ich jedenfalls, dass uns wesentlich mehr abverlangt und auch geliefert wurde. War das so verkehrt? Ich erinnere mich, dass wir unendlich viel Kopfrechnen oder auswendig lernen mussten, meine Kinder brauchten das nicht, aber nun nutzen sie auch für simple Aufgaben den Taschenrechner, das kann´s doch nicht sein?
Nur mal ein paar Gedanken..... (ist ja ein freies Forum hier^^)

Stoni, 19. Februar 2013, um 21:59
zuletzt bearbeitet am 19. Februar 2013, um 22:00

"Zumindest viele Eltern der sozial schlecht gestellten Familien kümmern sich einfach nicht mehr eigenständig um die Erziehung ihrer Kinder (sie sind schlichtweg überfordert!)."

Ich möchte gerne diesem Klischee vorbeugen. Vernachlässigung und mangelnde Empathie ist kein Privileg sozial schwächerer Familien. Mag sein, dass es sich nicht so offen zeigt, nach aussen hin der Schein bewahrt wird ... aber es ist überall evident.
Auch im eher begüterten Berlin-Mitte sind Eltern oft überfordert, 60-70 Stunden-Wochen beider Eltern, Burn-outs, fragwürdige Erziehungssysteme, ...
Die "Spießigkeit" unserer Eltern, 9-to-5 Jobs, Zusammenbleiben, feste Regeln, gemeinsames Essen, Familienaktivitäten, Sicherheit, ... fehlt vielen unseren Kindern heute.

Doc_Jule, 19. Februar 2013, um 22:17

ja, die sogenannte "Wohlstandsverwahrlosung" ist ein echtes Problem. Du hast mit dieser Klientel ja nicht viel zu tun, Felu, aber ich denke, dass z.B. echo ein Lied davon singen könnte..?
Meine Tochter hat einen Job als Babysitter bei stink(neu)reichen Leuten. Sie muss dort fast jedes Wochenende und auch noch mindestens einmal in der Woche die Kinder betreuen, weil die Eltern so wichtige Dinge wie Hockeyspielen oder wichtige Geschäftsessen haben. Meine Eltern waren auch beide berufstätig, aber für uns haben sie, vor allem mein Vater, immer Zeit gehabt, da war am Wochenende nichts wichtiger als die Familie.....

boomer01, 19. Februar 2013, um 22:19

stimmt, es gab ja nichts schoeneres als in den sonntagsanziehsachen mit papa und mama spazieren zu gehen...

Doc_Jule, 19. Februar 2013, um 22:21

bei uns war anderes angesagt, zum Hafen und Schiffe gucken, Zoo, in die Felder zum Beeren pflücken, gemeinsam kochen, lesen, spielen....*ich hab´s genossen...*und du bist ein alter Stinkstiefel, Herr Annabell ;-)

Kvothe, 19. Februar 2013, um 22:23

"Stiefstaats" nennt man das am Niederrhein, gerne auch nach dem Kirchgang ;-)

boomer01, 19. Februar 2013, um 22:27

dies ist ein freies forum, hier kannste mich nicht rausschmeissen...hier nicht !

Doc_Jule, 19. Februar 2013, um 22:30

will ich das?

boomer01, 19. Februar 2013, um 22:33

selbst wenn du wolltest nicht

Doc_Jule, 19. Februar 2013, um 22:50

ruhig, Brauner...^^

Basti1909, 20. Februar 2013, um 03:12
Dieser Eintrag wurde entfernt.

Seb1904, 20. Februar 2013, um 07:49

Vielen Dank für diese ausführliche Schilderung, Echo. Sie verdient eine Antwort, für die ich jetzt aber keine Zeit und Ruhe habe. die Diskrepanz zwischen angesetzten 10 min und tatsächlichen 240 min. pro Korrektur erschreckt mich.

Kvothe, 20. Februar 2013, um 09:23

In 10 Minuten bekommst du ja nicht mal die handschriftlichen (kann schon lustig sein) Ergüsse gelesen.

Stoni, 20. Februar 2013, um 09:31

Ich habe das ein Jahr aus nächster Nähe beobachten können ... da sich Klausurtermine auch immer kummulieren, lagen da 80-90 Arbeiten auf dem Schreibtisch, allein Deutsch-LK braucht nur zum ernsthaften Lesen 15-20min ... da sind noch keine Kommentare oder Nachlesen drin ... unter 2 Std ist das gerecht nicht zu bewerten .. man drückt auf eine Stunde, aber nebenher gehen ja nicht mehr als 3/4 am Tag ... am WE durchziehen auch mal 5-6 ... aber eigene Kinder hat man ja u.U. auch noch ... der Klausurberg wird da schnell zum Alptraum ...

boomer01, 20. Februar 2013, um 09:38

nicht das jetzt alle wieder umschwenken....tenor vor ein paar seiten war doch noch, dass das faule pack einfach mehr kontrolle braucht, benotet werden muss und seine arbeitszeit gefaelligst in einem arbeitszimmer in der schule verbringen soll, damit es dort besser beaufsichtigt werden kann.

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